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Die Beziehung zwischen Ernst Barlachs Drama und Plastik im Kontext der Literatur und Kunst des deutschen Expressionismus

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Šimić, Isabell Marijana. (2011). Die Beziehung zwischen Ernst Barlachs Drama und Plastik im Kontext der Literatur und Kunst des deutschen Expressionismus . Diploma Thesis. Filozofski fakultet u Zagrebu, Department of German Language and Literature
Department of Art History. [mentor Bobinac, Marijan and Maković, Zvonko].

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Abstract

Der Ausdruck „zweifache Künstlerschaft“ wurde seit der Renaissance immer seltener verwendet, findet jedoch in Ernst Barlach, der als bildender Künstler und Schriftsteller gleichsam bedeutende Werke schuf, einen Repräsentanten der Moderne. Im Jahre 1870 in Wedel an der Niederelbe geboren, gehört Barlach eigentlich der vorexpressionistischen Generation an, was ihn jedoch nicht daran hinderte, sein Oeuvre voll und ganz in den Kontext der Literatur und Kunst des deutschen Expressionismus zu integrieren. Nach seinem Abschluss an der Kunstakademie in Dresden und der famosen Russlandreise im Jahre 1906, die er zusammen mit seinem Bruder Nikolaus unternahm, bewältigt er seine zuvor von ihm empfundene künstlerische Barriere und schafft unermüdet ein exorbitantes Opus an literarischen und skulpturalen Meisterwerken. Er findet Behagen in der Natur und im einfachen urtümlichen Menschen, die eine Faszination in ihm hervorriefen, wie sie ihm Paris und Berlin nicht hätten geben können. Diese Diplomarbeit legt die Betonung gezielt auf seine zwischen 1907 und 1930 entstandenen acht Dramen, sowie auf seine komplette Plastik, die anhand von Paradebeispielen analysiert und interpretiert wird, um eine Verbindung dieser beiden Kunstrichtungen zu beschreiben. Das deutsche expressionistische Drama bewährte sich hauptsächlich in Form des Stationendramas oder des Wandlungsdramas, wodurch die Bildung des expressionistischen Helden selbst zum Hauptthema des Dramas wird. Es wird der Konflikt des Einzelnen in Bezug auf seine Umgebung erörtert, der er sich in keinster Weise verbunden fühlt, ob aus religiösen, gesellschaftlichen oder moralischen Gründen. Die Epoche lechzt nach der Schaffung eines neuen Menschen mit zeitlos gültigen humanen Werten. Diese Wandlung zu einem erhabeneren Ich wird im Drama des Expressionismus in einzelnen Stationen dargeboten, was an den christlichen Ursprung der Idee erinnert, da die einzelnen Stationen als Veranschaulichung des Kreuzweges aufgefasst werden können. Barlachs Protagonisten fügen sich in das Paradigma des expressionistischen Wandlungsdramas ein, weil der Autor durch sie das Verhältnis des Menschen zu einem als göttlich begriffenen Sein beschreibt. Er sucht dieses religiös-weltanschauliche Problem im Raum einer säkularisierten Weltansicht zu lösen, indem er eine eigene theologische Theorie entwickelt, nach der jeder Mensch nach der Erfahrung seiner Abstammung von „oben“, von Gott, strebt. Indem sich Barlachs Protagonisten ihrer Verhaftung an materiellen irdischen Dingen bewusst werden, beginnt die Suche nach einem höheren Sinn. Die Wandlung des Einzelnen wird diesbezüglich durch Personen, Geschehen oder das indirekte Eingreifen Gottes eingeleitet. Der Dramatiker greift jedoch auch das expressionistische Motiv des Generationskonfliktes auf und betont den Unterschied zwischen dem Vater-Sohn und dem Mutter-Sohn Verhältnis. Er begnügt sich jedoch nicht mit der gesellschaftlichen Ebene des Problems in Form des Kampfes gegen die wohlangesessenen alten Kräfte, sonder sublimiert den Konflikt auf einer religiösen Ebene, indem er die himmlisch-göttliche Sphäre, in Form des Vaters, der irdisch-banalen, in Form der Mutter, gegenüberstellt. Der starke positive Bezug zur Vaterfigur wird bei Barlach oft als Folge des eigenen Verhältnisses zum Vater gedeutet, sowie als persönliche Verarbeitung der durch seine eigene Paternität hervorgegangenen Probleme. Die Protagonisten in seinen Dramen werden oft von Schlüsselfiguren verkörpert, also von abstrakten Typen, die zeitlose Repräsentanten von Ideen darstellen. Gleichermaßen verwendet er jedoch Figuren und Motive aus Religion und Bibel, was für den deutschen Expressionismus allgemein keine Seltenheit ist. Auch seine Sprache ist biblisch angehaucht, was unter anderem auf Nietzsches Zarathustra zurückzuführen ist. Nebenbei entwickelt Barlach jedoch auch eine für ihn charakteristische Mischsprache überwiegend bestehend aus Plattdeutsch und anderen Dialekten in einer Kombination mit volkstümlichen Sprichwörtern und oft mehrdeutigen Wortspielen, immer gewürzt mit einer Prise Humor oder Groteske. Im Gegensatz zur abstrakten Handlung des expressionistischen Dramas, ist der Handlungsstrang bei Barlach leicht zu verfolgen und dem Leser wird ein logischer kontinuierlicher Zeitverlauf dargeboten. Die expressionistische Abstraktionstendenz äußert sich bei Barlach eher auf sprachlicher Ebene, sowie im Abstrakten der Handlung selbst. Ein wichtiger Gesichtspunkt in Barlachs komplettem Opus ist der ständige Bezug zur Gegenwart und gleichzeitig die Darbietung von zeitlosen Werten, die er durch sein Drama und seine Plastik auf den lesenden oder betrachtenden Menschen zu übertragen sucht. Davon zeugt auch die Tatsache, dass er im Rahmen seiner Plastik am traditionellen Sujet, der menschlichen Figur, festhält und sie dadurch zum Ideenträger und Distributeur seiner persönlichen Ansichten macht. Ernst Barlach reduziert die menschliche Figur auf einfache Grundformen in Verbindung mit Elementen meditativer Stille bis hin zu extrovertierten Gebärden und bemüht sich immer eine Kongruenz von innerem künstlerischem Empfinden und äußerer Formgestalt zu demonstrieren. Sein Stil verändert sich kaum, seine Skulpturen sind sich brüderlich ähnlich, was ihm wiederum den Vorteil eines hohen Wiedererkennungswertes verschafft. Der Bildhauer bedient sich verschiedener Inspirationsquellen. Zunächst wäre diesbezüglich die Russlandreise im Jahre 1906 zu erwähnen, da das russische Volk offensichtlich einen tiefen Eindruck bei ihm hinterlassen hatte. Er ist fasziniert von Bauern, Hirten und Bettlern, durch wessen lapidare Einfachheit und Kreatürlichkeit Barlach keine Demonstration eines individuellen Schicksals darzustellen vermochte, sondern sie eher als Vorlage für die Darbietung eines Gemütszustandes der Allgemeinheit nutzte. Die Figuren sind voluminös, bedeckt von allumhüllenden schlichten Gewändern, dessen Abstraktheit als eine Art Formel zur Zeitlosigkeit empfunden werden kann. Der Inhalt der Figuren konzentriert sich bei Barlach komplett in Händen, Gesichtsausdruck und Körperhaltung. Dadurch wird Barlachs Plastik zum Träger und Verfechter seiner persönlichen Ideen und Religion, die entweder in Form von Gesellschaftskritik oder als moralischer Appell an die gesamte Menschheit ihren Lauf nimmt. Weiterhin findet Barlach Inspiration im vorerst empfundenen Kriegsenthusiasmus. Die stilistische Form behält er bei, verändert jedoch nur den Inhalt. Er setzt die zögernde Standhaftigkeit dem entschlossenen Kampfgeist der Vorkriegszeit entgegen. Wie schon zuvor bedient er sich keiner Darstellung von Individuen, sondern findet genau wie in seinen Dramen Verwendung für bestimmte Typen, also Schlüsselfiguren. Immer öfter lässt er auch die Merkmale des Holzes bei seinen Skulpturen verschwinden, was zur Einheitlichkeit und Kompaktheit der einzelnen Werke beiträgt. Nach dem Ersten Weltkrieg gibt Barlach seinen Russland-Zyklus komplett auf und beginnt mit der Verarbeitung und Umsetzung von inneren Visionen und Motiven mit religiösem Ausgangspunkt, was die Idee seiner Plastik dem Drama immer näher kommen lässt. Die im Drama angedeutete Tendenz zur inneren Reflexion und Erfragung des eigenen Ichs mit dem Ziel der inneren Wandlung und Erkenntnis einer höheren Abstammung wird auch in Barlachs Plastik immer offensichtlicher. Davon zeugen auch seine pazifistischen Kriegsdenkmäler, die Barlachs Aversion gegen Gewalt und sinnlose Verfolgung unpersönlicher Ideologien verkörpern. Nach dem Krieg wird Barlachs Plastik jedoch auch von stilistischen Abweichungen gebrandmarkt. Die einst wuchtigen voluminösen Figuren werden schmal und schlank und bekommen die Merkmale gotischer Portalskulptur. Letztendlich reichen die Formen der menschlichen Figur bei Barlach von Buddha-Assoziationen, über barocke und gotische Typen bis hin zur ägyptischen Freskomalerei. Unveränderlich anwesend bleiben jedoch immer eine starke Symbolik, Abstraktheit und eine unmimetische Darstellung des Sujets. Schließlich muss betont werden, dass Barlachs Protagonisten im Drama sowie seine plastischen Figuren eine auf den ersten Blick unsichtbare Brücke verbindet. Bei beiden demonstriert er das Schaffen eines neuen Menschen mit zeitlosen humanen Werten und fordert dadurch den Betrachter zur Erkenntnis seiner selbst auf. Das Leitmotiv beider Richtungen ist die von Barlach nachempfundene Abstammung des Menschen von „oben“, von Gott, welcher sich der Mensch zu Lebzeiten bewusst werden muss, um sein Dasein auf der Erde durch eine innere Wandlung und durch Streben nach dem Höchsten zu bewältigen. Barlachs plastische Figuren wiederspiegeln seine Protagonisten aus dem Drama. Er stellt den Mensch in den Mittelpunkt und nähert sich damit der allgemeinen Denkweise des Expressionismus. Er bedient sich des Vater-Sohn-Konflikts, verarbeitet ihn manchmal als gesellschaftskritischen manchmal als religiösen Gesichtspunkt. Der Künstler bedient sich der Typenkategorisierung und verweist dadurch nicht auf Einzelschicksale sondern Gemütszustände der Allgemeinheit. Durch die vehemente Verarbeitung biblischer und mystischer Elemente, versucht er oft, die Position des religiösen Führers zu übernehmen und äußert durch die Wandlung seiner Helden im Stationendrama, sowie in der plastischen Darbietung seiner Figuren mit oft biblischem Hintergrund, einen Appell zur Selbstreflexion, die Erfragung des eigenen Seins und legt stets die Betonung auf seine pazifistischen Ansichten zum Krieg und die Sinnlosigkeit unpersönlicher Ideologienverfolgung. Sowie seine Plastik in gewisser Weise abstrakt, stilisiert und unmimetisch dargestellt wird, schafft er es, diese Charakteristika auch im Drama zu absorbieren, durch abstrakte Handlungsstränge und Realitätsentfremdung, beides mit pathetischem Nachgeschmack. Durch ständiges Wiederholen von Motiven und sehr geringe stilistische Abschweifungen während seiner ganzen Schaffenszeit, entwickelt Barlach Werke mit immensem Wiedererkennungswert, was ihn zu einem einzigartigen Vertreter des Expressionismus in Deutschland macht, leider jedoch nicht dazu verhalf, die Position des meistbetroffenen Bildhauers des Nazi-Regimes, insgesamt 381 beschlagnahmte Werke, zu umgehen.

Item Type: Diploma Thesis
Subjects: German language and literature
History of art
Departments: Department of German Language and Literature
Department of Art History
Supervisor: Bobinac, Marijan and Maković, Zvonko
Date Deposited: 01 Feb 2012 09:13
Last Modified: 14 Feb 2018 09:46
URI: http://darhiv.ffzg.unizg.hr/id/eprint/1634

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